Login
Register
 

article

Noch mehr Carbon

(Kommentare: 0)

Schaltzüge

In letzter Zeit nerven mich einige Kleinigkeiten an meinem ehemals so schönen neuen Bike: Die Präzision meiner Schaltung (Schaltwerk) hat deutlich nachgelassen, die Gänge wechseln teilweise sehr unwillig und nur unter Nachdruck, dann wieder springen sie unwillkürlich. Nun könnte man sich sehr darüber wundern, angesichts der Tatsache, dass der Zug zum Schaltwerk geschlossen verlegt und damit optimal gekapselt ist. Zudem reden wir hier über die Gore RideOn-Züge, die sogar von der Fachzeitschrift "BIKE" (Ausg. 5.2012) sehr gut getestet wurden. Aber auch ein solcher Zug wird mit der Zeit älter und zwangsläufig schwergängiger. Da die Kosten - auf die Nutzzeit von (in diesem Fall) 6 Jahre umgerechnet - mit 8 Euro pro Jahr nicht sonderlich üppig ausfallen, ist die gelegentliche Erneuerung des Zuges sicher mal okay. Dank des erwähnten "BIKE"-Tests steht deshalb nun die Ersetzung des zweitbesten Zuges im Test durch den Testsieger, den Jagwire Ripcord, an.

Warum aber enthält die Überschrift dieses Berichtes dann das verheißungsvolle Wort Carbon? Werden die neuen Jagwire-Züge tatsächlich inzwischen aus den extrem zugfesten Kohlefasern gefertigt? Mitnichten. Leider wäre es zum einen wohl ein wenig teuer, derartige Züge meterweise zu verbauen. Zum anderen wage ich zu bezweifeln, dass solche Züge angemessen reibungsarm in ihren Hüllen laufen würden. Zudem wirken dort nicht die Kräfte, die den Einsatz von Kohlefasern an dieser Stelle rechtfertigen würden. Dank der durchgehenden Verlegung der Außenhülle würde ich nicht einmal optisch davon profitieren.

Carbon!

Shimano XTR RD-M972-SGS
Shimano XTR RD-M972-SGS

Nein, die Überschrift weist vielmehr auf meine zweite in diesem Zusammenhang getätigte Neuinvestition hin. Ich habe mich nämlich endlich einmal dem Projekt Antriebsmodernisierung angenommen. Und während ich bei der Kette und bei dem Ritzelpaket auf Altbewärtes gesetzt habe, also lediglich altes gegen neues getauscht habe, habe ich mir für das Schaltwerk mal ein Leckerchen gegönnt. Damals, bei der Entscheidung zu einem geeigneten Schaltwerk für das damals neue Simplon habe ich mich - der ein oder andere wird sich möglicherweise erinnern, alle anderen schauen jetzt schnell in den Bericht "Dekadenz für kleine Geld" vom 22.10.2005 - für ein gebrauchtes XTR-Schaltwerk aus dem Jahr 2003 entschieden. Einfach deshalb, damit es ein Teil aus Shimanos Top-Gruppe werden konnte ohne mich dafür in tiefste Armut zu stürzen. Etwas ähnliches hab ich nun wieder gemacht: ich habe mir wieder ein gebrauchtes XTR-Schaltwerk für kleines Geld gekauft. Dieses Mal die RD-M972 SGS aus dem Jahr 2008. Das Schöne an diesem Schaltwerk ist (neben dem "XTR") die Shadow-Technologie, die Shimano damals erfunden hat, um die Dimensionen, um die das Schaltwerk vom Schaltauge "absteht", deutlich (nämlich um 11-18mm) zu reduzieren. Desweiteren habe ich nun vernünftigerweise ein Schaltwerk mit langem Schaltkäfig (SGS), dessen Kapazität ausreicht, alle verfügbaren Gänge zu schalten. Logisch: großes Kettenblatt + größtes Ritzel oder ähnliche Übersetzungen schalten vernünftige Biker eh nicht. Aber mit dem kurzen Käfig meines alten Schaltwerks reichte schon eine Kombination à la großes Kettenblatt + mittleres Ritzel (eine Kombination, die man schon ab und zu unbeabsichtigt schaltet) aus, um das System so zu verkeilen, dass ich es nur unter Lösen des Hinterrades wieder frei bekam. Und das gehört nun der Vergangenheit an. Als kleines Sahnehäubchen - und da schließt sich der Kreis zur Überschrift - ist nun der gesamte Schaltkäfig, wie auf dem Bild prima zu erkennen, aus Carbon!
Auch super ist, dass der Zug nun von vorne oben an das Schaltwerk geführt wird. Der 180°-Bogen, in dem der Schaltzug vorher an das Schaltwerk geführt werden musste, gehört nun der Vergangenheit an. Das sollte die Schaltperformance noch einmal steigern.

Nur mal am Rande erwähnt: Ich habe ungeachtet der heute üblichen 10-fach-Schaltungen wieder zu einer 9-fach-Schaltung gegriffen, da ich die Kosten gescheut und den Sinn nicht gesehen hab, das ganze System umzurüsten, nur um einen Zwischengang mehr schalten zu können. Desweiteren sind Kette und Ritzel für 9-fach breiter und damit robuster gebaut. Ohne Notwendigkeit oder praktischen Nutzen werde ich also nicht so schnell umrüsten. Ich bin so ganz nebenbei damit der Frage aus dem Weg gegangen, ob ich nicht doch ein Schaltwerk neueren Produktionsdatums besorgen sollte. Damit verzichte ich zwar auf das äußerst interessante Shadow Plus, das bei Bedarf dafür sorgt, dass die Auf/Ab-Bewegungen des Schaltkäfigs durch eine größere Federvorspannung "gedämpft" wird, also das Geklapper reduziert wird und das Risiko abspringender Ketten auf nahezu Null sinkt. Letzteres war für mich ob meines verhältnismäßig wenig extremen Einsatzes jedoch bisher kein großes Thema. Jedenfalls ergibt sich so einfach nicht die Frage nach neuer oder nicht so neu und ich kann mit diesem edlen Stück Schaltwerk und einem ruhigen Gewissen die Berge unsicher machen, bis ich mir eines Tages die Acros A-GE (auch hier) leisten werde und damit eine bowdenzugfreie Ära einleute.

Erster Erfahrungsbericht: Grenzenlose Begeisterung! Nachdem ich gestern meine erste Fahrt nach der Montage des Schaltwerks absolviert habe, möchte ich - passend zu dem Bericht - meine Begeisterung mit euch teilen. Nach nur wenigen Metern der Beschleunigung war das erste Mal runterschalten angesagt. Einen Gang nach dem anderen. So war es geplant. Die Realität hat mich allerdings gleich mal alle drei Gänge, die ich gleichzeitig schalten kann, runterschalten lassen. Denn die ernorme Daumenkraft, die bislang nötig war, war nun komplett überflüssig investierte Kraft. Ich übertreibe nicht. Das einzige an Widerstand, das mich erwartet hat, war die reine Federkraft des Schaltwerks selbst. Und die ist zwar nun eine Idee größer als die des alten Schaltwerks, führt aber auch dazu, dass ich quasi kein Kettenschlagen mehr habe. Auf die im Artikel erwähnte Shadow Plus Technologie kann ich also gerne verzichten. Dass ich nun sehr viel feinmotorischer (vor allem runter-)schalten "muss", daran gewöhn ich mich nur allzu gern!
Auf eine Kleinigkeit muss ich allerdings nun etwas Acht geben. Ich habe nämlich die Länge des Schaltzuges optimistisch kurz gewählt. Wenn mir nun der Lenker allzu weit nach rechts umschlägt, kann das nun den Schaltzug ziehen.

Fazit: Der neue Jagwire-Schaltzug, die geradere, direktere und kürzere Verlegung desselben und das neue Superschaltwerk haben mich nicht nur begeistert. Sie haben mich komplett weggehauen. Der technische Sprung nach vorn macht soviel Spass, wie zuletzt das Umrüsten des Bikes von Felgenbremsen auf Scheibenbremsen vor fünf Jahren.

Zurück zur Newsübersicht