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Ankerwurf 2.0

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Eigentlich sollte er lediglich die meinem Übergewicht zum Opfer gefallene Speiche meines Leichtbau-Hinterrades ersetzen. Der nette Verkäufer, mehr Bikerkollege als Trickkisten wälzender Vertretertyp, hat das Gerücht erhärtet, mein Bremsenbauer Magura würde eine neue Superbremse bauen. Noch leichter, noch mehr Carbon und trotzdem besser als meine Race-Bremse, die "Marta SL", die ich nun schon seit sechs Jahren mit viel Freude fahre. Ich war gespannt. Die Serie "MT" (Mission Team) stand - begleitet von massivem Marketing seitens Magura - schließllich kurz vor ihrem Handelsstart. Sogar einen guten, wenngleich auch immer noch sehr hohen Preis wollte mir der Händler machen.

Weist nicht die geringste Kohlefaser auf

Aber brauchte ich denn überhaupt eine neue Bremse? War meine aktuelle nicht noch super wie eh' und je? Wollte ich tatsächlich derart viel Geld investieren für eine Bremse, die mich ja langsamer machen soll, nicht schneller? Würde sie zudem Kinderkrankheiten haben? Zum Beta-Tester wollte ich mich für das Geld schließlich nicht machen lassen. Also würde ich sowieso erst einmal die ersten Berichte über die Bremse abwarten. Tests, die mich wieder in die Realität zurückführen würden. Berichte wie der große 2012er Scheibenbremsentest der Zeitschrift MountainBIKE, in denen besonders eine Bremse immer wieder in den höchsten Tönen gelobt wurde. Nein, nicht die MT8, wie man bei soviel Vorschusslorbeeren hätte erwarten können. Die neuen Shimanos wie die XT haben dort immer wieder mächtig abgeräumt. Die Teile haben demnach nahezu alles, was ich von einer guten Bremse erwarten würde. Sie glänzt mit hoher Bremskraft, guter Dosierbarkeit und Standfestigkeit und kostet dabei längst nicht das, was Magura sich so für seine neue Bremse vorstellt. Na gut, sie weist nicht die geringste Kohlefaser auf und ist, sicher nicht nur deswegen, ein paar Gramm schwerer als die Magura. Aber, hey! An derart sicherheitsrelevanten und zudem ungefederten, nicht rotierenden Teilen wie der Bremse macht Grammzählen nun wirklich keinen Sinn.

Shimano XT BL-M785 (XT Mod. 2011)
Shimano XT BL-M785 (2011)

Und die Magura? Nun, nachdem MountainBIKE eklatante Mängel an der MT6 und MT8 aufgedeckt hat, ruft Magura diese Bremsen inzwischen zurück. Kein sehr starkes Kaufargument. Ich war jedenfalls geheilt - und mehr denn je davon überzeugt, meine alters- und bremsschwache Magura durch eine der neuen Shimanos zu ersetzen. Wie allerdings bei mir üblich, habe ich mich zunächst auf einen Informations- und Entscheidungsmarathon eingelassen. Denn trotz der Überzeugung, nun bei Shimano zu landen, drängten sich mir diverse Fragen auf. Zum Beispiel fragte ich mich, ob es sich nicht, wie schon beim Schaltwerk, lohnen würde, in das XTR-Modell zu investieren, zumal ein ausführlicher und sehr positiver Erfahrungsbericht über eben diese Bremse auf www.mtb-news.de zu finden war. Oder wäre es nicht lässig, quasi für den Preis einer XTR die Vierkolben-Bremse Saint zu nehmen, die ja quasi die gleichen Merkmale aufwies, nur etwas schwer war (und eigentlich ja für den Downhill-Bereich konzipiert wurde)? Den Zuschlag bekam letztendlich die kleine Schwester der XTR, die XT (Modellname: BR-M785). Und zwar aus zwei Gründen: zum einen war sie dann doch mal wieder signifikant preiswerter, und das ohne bei der Funktionalität Abstriche machen zu müssen. Zum anderen gibt es sie in schwarz, während die XTR nahezu komplett glänzend silber ist. Klar, Funktion geht vor Optik. Aber an zweiter Stelle kommt dann eben doch letztere.

Shimano XT BR-M785 und 180mm IceTec
Shimano XT BR-M785 und 180mm IceTec

Eine weitere Frage, die sich aus meinem Vorhaben ergab, war die nach den richtigen Bremsscheiben. Die für die Shimano üblichen Durchmesser unterscheiden sich nicht von denen aus dem Hause Magura. Und für die hab ich ja nun schon die 180er für hinten und, seit meinem Masseüberschuss, eine 203mm-Scheibe vorn. Und theoretisch ließen sich diese Scheiben auch weiterhin fahren. Aber zum einen wollte ich zukünftig von dem Konzept der Sandwich-Bauweise der Shimano-Rotoren (außen Stahl für den nötigen Reibwert und die Härte/Verzugfestigkeit, innen ein Alukern für die bessere Wärmeableitung) profitieren. Zum anderen wäre bei einer so starken Bremse die vergleichsweise filigrane Federgabel schnell überfordert, wenn ich die Bremse auch noch mit einer 203mm-Scheibe fahre. Selbstverständlich sind das lediglich theoretische Überlegungen. Sollte die Praxis mich Lügen strafen, wäre eine Rückrüstung von den nun geplanten 180mm am Vorderrad auf 203mm rasch veranlasst.

Im Test gar nicht mal im Spitzenfeld

Zu guter Letzt quälte mich nun noch die Frage, ob ich - wenn auch nur übergangsweise - bei meinen Leichtbau-Laufrädern bleiben wollte. Nachdem die letzte Bike-Saison ja quasi mit einem Speichenbruch begann, habe ich mich bereits zu jenem Zeitpunkt gefragt, ob es so klug wäre, weiterhin auf Laufrädern unterwegs zu sein, die eine Gewichtsfreigabe von 85kg, weit weniger als mein aktuelles Körpergewicht, haben und mir das ja nun in aller Deutlichkeit zeigten. Wenn nun noch eine höhere Bremskraft mit ins Spiel käme, wäre das wohl der sprichwörtliche Tanz auf rohen Eiern. Also hab ich mal einen der letzten Laufradtests der BIKE (04/2012) herangezogen und festgestellt, dass ich genau den Laufradsatz haben möchte, der in dem Test gar nicht mal im Spitzenfeld gelandet ist: der Cobalt 3 von Crank Brothers. Gut, er hat trotzdem ein 'gut' bekommen. Aber ausschlaggebend für den tatsächlichen Kauf war neben der unbeschränkten Gewichtsfreigabe Folgendes:

Da ergeben sich im Grunde keine weiteren Fragen mehr, oder? B-) Okay, optisch ist dieser LRS also zweifellos eine wahre Augenweide. Nebenbei hat er aber auch durch einige hochinteressante Detaillösungen mein Technikherz erobert. So sind die Alunippel extra lang und gehen nicht von der Felge aus sondern von der Nabe in die sie komplett gerade einlaufen. Hier gibt es keine defektanfällige Speichenkröpfung. Die eigentliche Speiche läuft parallel zur Speiche der anderen Seite zur Felge und ist dort paarweise an einem Felgenfortsatz drehbar gelagert befestigt. Dadurch gibt es keine Löcher in der Felge (vom Ventilloch mal abgesehen), die aufwändig schräg gefräst werden müssten und zusätzlich die Felge schwächen würden. Als kleine Dreingabe habe ich nun endlich eine Felge, die ich problemlos mit Schlauchlos-Reifen fahren kann.

Endlich sind die optischen Änderungen an dem Bike mal wieder bedeutend genug, um hier die Veröffentlichung einer Gesamtansicht des aktuellen Simplon Gravity zu rechtfertigen. Entgegen meiner Gewohnheit, aber aus gegebenem Anlass erst am Ende des Berichts. Nach all den Jahren immer noch ein Leckerbissen, dieses Gravity, oder?

Ergänzung (7. Sept. 2013):

Nach nun etlichen wunderbaren Kilometern mit den neuen Laufrädern und dem letzten meiner äußerst seltenen Schlauchdefekte habe ich mich nun dazu durchgerungen, aus der Schlauchlosfelge ein Schlauchlossystem zu machen. Soll heißen: ich habe nun endlich auch Schlauchlosreifen montiert. Zwar musste ich dafür auf meine inzwischen lieb gewonnen Rocket Ron verzichten, da es diese nicht in der UST (Universal System Tubeless) Variante gibt. Die Racing Ralph (ebenfalls Schwalbe) allerdings schon. Und die sind eigentlich genauso gut für mich. Was ich aber schon feststellen durfte: die Reifen rollen total klasse. Ob das allerdings darauf zurückzuführen ist, dass ich mich noch nicht getraut hab, die Reifen mit weniger Luftdruck zu fahren, wird sich dann wohl erst in näherer Zukunft beweisen müssen.
Dass ich diesen Schritt gewagt habe, liegt vor allem daran, dass ein echtes (im Gegensatz zum umgerüsteten) Tubeless-System nicht unbedingt mit Dichtmilch abgedichtet werden muss. Diese Milch hat nämlich einen riesengroßen Nachteil: Sie verliert nach einigen Wochen ihre dichtende Wirkung, da sie ihre Viskosität verliert. Dann muss sie durch neue Milch ersetzt werden. Ein Aufwand, auf den ich keine Lust habe. Die angepriesene erhöhte Pannensicherheit gegenüber Schlauchreifen gebe ich damit selbstverständlich auf. Aber damit kann ich leben. Zumindest bleiben mir schonmal Durchschläge erspart.

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