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Alte Gewohnheit

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Nachdem nun die ersten sehr spaßigen 1.000km mit dem neuen Rennrad absolviert sind, wird es wohl langsam Zeit, auch ein paar Worte über die erfolgreiche Indienststellung zu verlieren. Denn das ist es doch, wofür der mindestens sehr interessante Aufbau und die anschließende Anpassung stattgefunden hat.

Individuell gewickelt

Im Juni stand sie nun also endlich in voller Pracht vor mir, die viel zu spät fertiggestellte aber wunderschöne BMC RoadMachine. Wie berichtet war das abschließende Bike Fitting abgeschlossen und ich konnte die noch ausstehenden Abschlusstätigkeiten geschehen lassen, um das Bike endgültig und endlich fahren zu können. In Realität, an der frischen Luft, mit Asphalt unter den neuen Reifen. Doch zunächst brauchte der Lenker angemessene Kleidung. Nicht, dass es nicht auch so gefahren wäre. Aber mindestens der Pilot - ich - wünscht sich schon ein bisschen Griffsicherheit und etwas Schutz des Lenkers. Also hab ich mir mein Silca Lenkerband geschnappt und habe es bereits beim dritten Versuch hinbekommen, es nach meinem Wunsch und, entgegen der klassischen Richtung, vom Oberlenker nach unten zum Lenkerende zu wickeln. Warum? Klar, auch, weil es geht. Aber es gibt natürlich einen richtigen, hoffentlich guten Grund. Normalerweise wird der Abschluss der Wicklung am Oberrohr durch ein Klebeband à la Isolierband daran gehindert, sich wieder zu lösen. Sogar noch viel besser hält es jedoch (und sieht außerdem viel besser aus), wenn man oben anfängt und am unteren Ende durch den ohnehin obligatorischen Stopfen - in meinem Fall ein geschraubter Alu-Lenkerstopfen - fixiert. Speziell bei einem Aerolenker wie dem meinigen, sofern man die Wicklung erst kurz vor der Vorwärtsbiegung des Lenkers beginnt, um den Aero-Effekt des flachen Oberlenkers nicht negativ zu beeinflussen. Eventuell ein Problem, wenn man den Lenker bevorzugt am Oberlenker greift. Aber wir haben ja bereits geklärt, dass ich das hinreichend selten tue.

Schmieren oder nicht schmieren...

Pechschwarzer Antrieb? Nie wieder!

Darüber hinaus fehlte eigentlich nur noch die Halterung für das Rücklicht/Rückradar. Hierfür habe ich vorerst die originale Garmin-Halterung angebracht, wohlwissend, dass ich sie, sobald vorhanden, durch eine 3D-Druck-Befestigung ersetze, die an den dafür vorgesehenen Befestigungspunkten des Sattels angeschraubt wird und so hoffentlich stabiler und verrutschsicher an ihrem Platz verweilt.

Weniger mit Anbauteilen als mit dem Antrieb zu tun hatte etwas anderes, um das ich mich allerdings dringend vor der ersten Fahrt kümmern wollte. Wenn eine Kette geliefert wird, ist sie irgendwie schmierig. Wie Kettenöl sieht das Zeug aber irgendwie nicht aus. Googlet man ein wenig, kommt man schnell dahinter, dass diese Schmiere lediglich dafür gedacht ist, zu verhindern, dass die Kette bis zum Verkauf korrodiert. Ich bin die Ketten in der Vergangenheit trotzdem schon mehr als einmal gefahren, bevor ich sie "normal" nachgeölt habe. Doch dieses Mal wollte ich etwas anderes ausprobieren. Theoretisch soll eine Kette mit Kettenwachs deutlich weniger Dreck anziehen. Damit sollte also auch kein Staub und Dreck mehr die Gelenke der Kettenglieder, eine Art Gleitlager, abschmirgeln. Die Kette sollte also nicht nur das sonst unvermeidliche Biker-Tattoo an der Wade vermeiden. Auch das Leben der Kette statt der Kette selbst sollte so verlängert werden. Zwar habe ich mir dafür nicht den Stress angetan, die Kette aufwändig in irgendwelchen Bremsenreiniger-Flüssigkeiten zu wälzen. Aber mit einem normalen Kettenreiniger habe ich die Kette dennoch zunächst so gut wie in montiertem Zustand möglich von der Hersteller-Schmiere befreit. Danach habe ich - nach Anleitung des Wachsherstellers - die Kette gewachst, selbiges einziehen lassen und nach zwei Stunden nachgewachst. Dieses Vorgehen bedeutet für mich nun allerdings bis zur vollständigen "Sättigung", dass ich nach (resp. vor) jeder Fahrt die Kette nachwachsen muss. Und auch für den "Normalbetrieb", wie er sich zwangsläufig irgendwann einstellen wird, bedeutet das Fahren mit Kettenwachs, alle ca. 250km etwas Wachs nachzutragen. Etwas aufwändiger also als mit normalem Öl zu schmieren. Die bereits beschriebenen Vorteile von Wachs gegenüber Öl lassen ersteres dennoch ziemlich attraktiv erscheinen.

Gut, aber was ist jetzt mit der Entjungferung

Anmutig

Aber all diese Vorbereitung sollen ja dem einen Zweck dienen: endlich das neue Rennrad zu fahren. Die berühmte Jungfernfahrt. Wann hat die denn nun stattgefunden? Nun, das hängt sehr davon ab, wie man "Jungfernfahrt" definiert. Denn zu Beginn stand, wie schon beim Simplon (wenngleich aus anderen Gründen), die erste stark verkürzte Ausfahrt an. Damals war es die Fahrt zur Tankstelle, an der ich die Reifen auf den richtigen Druck bringen wollte. Hier musste ich dank des vorhandenen Kompressors darüber nicht mehr nachdenken. Stattdessen musste ich meine neuen Bremsscheiben und die neuen Bremsbeläge aufeinander einbremsen. Ich brauchte also ein paar hundert Meter, auf denen ich immer wieder auf >30km/h beschleunigen und bis kurz vor Stillstand vollbremsen konnte. Keine echte Tour also. Aber die dabei zusammengekommenen 5km haben schon mal gezeigt, ob z.B. die Entlüftung der Bremsen den gewünschten Erfolg gebracht hat. Noch viel mehr natürlich, ob alle (vor allem sicherheitsrelevanten) Teile vernünftig befestigt waren und ob die Schaltung in freier Wildbahn genauso gut funktioniert wie auf dem Montageständer. Ansatzweise ließ sich so aber auch bereits jetzt abschätzen, wie sich das Bike später anfühlen könnte. Also ja, irgendwie war das sowas wie die Jungfernfahrt.

Ich für meinen Teil würde aber wohl die erste, nur wenige Tage später platzierte "richtige" Tour als die Jungfernfahrt bezeichnen. Würde? Nun, tatsächlich wurde auch diese Fahrt aufgezeichnet und bei Strava veröffentlicht. Und ja, dort trägt sie den Titel "Jungfernfahrt". Nebenbei beschreibe ich dort meine ersten Fahreindrücke. Abgesehen davon, dass das Bike ohne Zicken oder grobe Einstellungsprobleme vor sich hin gerollt ist, war die mich am nachhaltigsten beeindruckende Eigenschaft des Rades, dass es super leise war. Kein Ketteschlagen, keine ewig langen und "lauten" Gangwechselgeräusche, keine klappernden Schalt-/Bremszüge resp. -leitungen, kein Knacken und Knarzen. Zusammengefasst habe ich das treffenderweise in der Tourbeschreibung mit "Außerdem durfte ich feststellen, dass ich buchstäblich noch nie ein so leises Fahrrad gefahren bin. Einfach fantastisch."

Aber das war ja "nur" die Jungfernfahrt. Etwas über 1.000 seitdem bereits absolvierte Kilometer sollten doch die wahren Kinderkrankheiten und Probleme vorgebracht haben. Oder? Nun, zunächst einmal habe ich nur noch mehr Verbesserungen zu dessen Vorgänger erlebt. Der Haupt-Wechselgrund, eine deutlich besser für mich geeignete Geometrie und Gesamtgröße, hat eingeschlagen wie eine Bombe (nur konstruktiver ;)). Ich fahre nun zwar eine signifikante Überhöhung (Sattel steht deutlich höher als der Lenker), überstehe diese Position aber überraschend leicht und schmerzfrei. Die bessere Aerodynamik mag ein im Placebobereich operierender Effekt sein. Und ebenfalls auf psychischer Ebene wirkt die super Optik. Und ja, auch das viele investierte Geld. :-) Deutlich objektiver wirken sich die Bremssättel von Hope massiv positiv aus - verglichen mit den Shimanos der Lady. Und dann ist da ja noch die elektronische und kabellose Schaltung von SRAM. Wie geil ist das denn bitte? Nicht nur die Montage inkl. Setup war ein Traum (ich berichtete bereits). Die kurzen und präzisen Schaltvorgänge machen einfach Spaß. Und bislang hatte ich nicht einmal das Bedürfnis, die automatische Kettenblattwahl wieder auszustellen. Dazu das beruhigende Gefühl, dass kein Schaltzug mehr schwergängig werden oder gar reißen könnte... Ich liebe die Schaltung einfach. Allerdings kann ich mittlerweile auch eine Aussage über die Akkus treffen. Und die ist "gemischt positiv". Die Nachhaltigkeit einer einzelnen Akkuladung geht schon in Ordnung. Sie ist halt nicht unerschöpflich. Wenn nun aber mein Radcomputer das Kapazitätsende des deutlich häufiger genutzten Schaltwerks ankündigt, wie relativ früh meiner ersten 100km-Tour mit dem Bike passiert, ist der einfache und schnell vollzogene Tausch dieses Akkus mit dem des deutlich seltener aktiven Umwerfers locker ausreichend, um mindestens für den Rest dieser Mammut-Tour voll schaltfähig zu bleiben. Diese positive Erfahrung der im Vorfeld bereits bekannten Möglichkeit hat jegliche Vorbehalte (soweit überhaupt vorhanden) vom Tisch gefegt. Nun muss sich lediglich die Langlebigkeit und zum Ende hin die Modularität der Teile unter Beweis stellen.

Im übrigen bin ich soweit auch ganz zufrieden mit der Kombination aus meiner Bereifung mit 28mm-Reifen vorn und 30mm hinten. Einen echten Nachteil konnte ich nicht ausmachen, möchte aber mangels dem entgegenstehender echter Vorteile - denke ich - nach Ende des Lebenszyklus des Hinterreifens wieder einen 28mm-Reifen ausprobieren. Dann eventuell sogar den neuen endlich auch hookless-fähigen Conti 5000 (S TR)...

Alles super also! Oder nicht?

Doch nicht so geil: der Selle Italia

Gelenkschonend wird das Radfahren im Vergleich zu anderen Sportarten wie Laufen ja besonders dadurch, dass das mitunter signifikante Körpergewicht während der Fahrt vor allem vom Bike getragen wird. Sprich: man sitzt in erster Linie auf seinem Allerwertesten. Toll für die Gelenke und die Wirbelsäule und etliche andere anatomische Schlüsselelemente. Etwas anstrengend für die gequälten Sitzknochen, solange man kein Sofa montiert hat. Eine zentrale Rolle auf längeren Touren spielt folgerichtig der geeignete Sattel. Leider ist so ein Hinterteil und dessen Belastungsausprägung so individuell, dass es einfach nicht die eine richtige Empfehlung für einen guten Sattel geben kann. Die Suche nach "meinem" Sattel für das Rennrad ist dementsprechend so alt wie mein erstes Rennrad. Ein bisschen Bewegung in diese Suche hat das Bike Fitting gebracht. Jürgen hat nach Ausmessung aller Kenngrößen mehrere Empfehlungen ausgesprochen, von denen ich daraufhin die günstigere montiert habe. Diese Entscheidung hat trotz positiver Messung der Druckverteilung nicht den erwarteten Durchbruch gebracht. Das hat weniger mit Druckproblemen als ungünstiger Reibung im Schritt zu tun. Diese äußerst spaßraubende Erfahrung hat mich dazu bewogen, die zweite Option zu testen. Frei nach dem Motto "Hinterher hat man es meist vorher schon gewusst" hätte ich wohl gleich zu dem nun genutzten Specialized Power Expert MIMIC greifen sollen. Die nicht ganz so runde und zusätzlich noch einmal ein paar Millimeter breitere Sitzfläche (mit nun also 168mm) hat damit wohl weniger zu tun als die weichere und schmalere Nase mit besser gestalteter Abschlusskante. Dass ich mit diesem Sattel nun praktisch überhaupt keine Sitzprobleme mehr habe, hat einen ungeahnt deutlichen Einfluss auf die Ausdauerleistung insgesamt. Wie schon bei der Sitzposition gilt auch hier mal wieder: manchmal muss man sich nicht einfach durchbeißen. Eine leichte Verbesserung des Setups kann manchmal deutlich mehr bringen. Insbesondere mehr Spaß!

Fazit

Unterm Strich darf ich wohl mit Fug und Recht behaupten, bezüglich dieser neuen Waffe vieles richtig gemacht zu haben. Etliche Kilometer, sowohl alleine als auch in der Gruppe, haben bewiesen, dass ich hier auf einem lohnenswerten Upgrade sitze. Die Ziele, die ich mir - ganz unabhängig vom schlussendlich genutzten Bike - für die nähere Zukunft gesetzt habe, sind mit dem BMC noch einmal deutlich attraktiver geworden. Sei es die Teilnahme am Jedermann-Rennen auf der Nürburgring Nordschleife oder die Fahrt zur Außenstelle Ost (Oberpfalz). Für letztere hab ich verflucht viel Strecke und unvernünftig viele Höhenmeter hinter mich zu bringen. Aber mit dem Bike... lieber denn je zuvor.

So ganz nebenbei erwähnt: ich liebe die Ästhetik jedes einzelnen Winkels dieses Rades. Und das spielt, zumindest emotional, eine größere Rolle als je rational vermittelbar.

Allein der Plan, das Bike auch auf dem Smarttrainer zu betreiben, liegt vorerst auf Eis. Natürlich schone ich es über den Winter auf die Weise ein wenig. Und auch die permanente Fahrbereitschaft outdoor bleibt dadurch aufrecht. Aber tatsächlich ist der Grund eher darin zu suchen, dass die verunfallte Lady nur noch statisch einsetzbar ist und, solange auf dem Smarttrainer benutzt, nicht frühzeitig unverdient entsorgt werden muss.

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